Dienstag, 19. August 2008

Social Media immer wichtiger

Eine neue Studie des Center for Marketing Research an der University of Massachusetts Dartmouth kommt zu dem Ergebnis, dass Web 2.0 schneller als erwartet von den Firmen angenommen und etabliert wird. Mittlerweile erachten 44% der Befragten das Web 2.0 als sehr wichtig und weitere 34% als wichtig für ihre (Online-)Kommunikation (Vorjahr: 26% bzw. 40%). Daher verwundert es auch nicht, dass 77% Web 2.0 Anwendungen in irgendeiner Weise einsetzen.

Befragung von Inc500 Unternehmen

Für die Erhebung wurden die am schnellsten im Jahr 2006 wachsenden 500 privaten Unternehmen in den USA 2007 und wiederholt im Frühjahr 2008 zum Einsatz von Social Media befragt. Das Ergebnis ist auf Homepage mit den entsprechenden Links als Executive Summary einsehbar. Eine deutsche Darstellung gibt es im Themenblog. Von den 500 Inc500-Unternehmen haben 209 geantwortet (42%). Offen bleibt bei den Darstellungen, wer in den den Firmen befragt wurde - was die Aussagekraft von Fragen wie "How familiar are you with the following social media?" offen lässt. Ich gehe einmal bei der Themenstellung davon aus, dass es Personen, die für das Marketing verantwortlich sind, waren. Die Definitionen von Web 2.0-Features übernahmen die Forscher aus dem Web 2.0 selbst: aus Wikipedia.

Social Networking, Online-Videos und Blogging die häufigsten Web 2.0 Anwendungen

Das am häufigsten angewendete Web 2.0 Feature ist nach der Studie "Social Networking" (von 27% auf 49%) gefolgt von Online-Video und Blogging (vgl. Grafik). Sicherlich ist auch die Verbreitung von entsprechenden Features außerhalb der Inc500 deutlich niedriger. Darauf deutet bereits ihre Selektivität hin, worauf auch auf der Website von Inc.com hingewiesen wird. Der zentrale Punkt jedoch ist: Web 2.0 Features sind in der Online Kommunikation mittlerweile nicht nur angekommen, sondern etabliert.
Wichtig für Unternehmen ist nicht, ob sie diese Elemente und Feature einsetzen, sondern welche und wie. Einen für sich passenden Web 2.0 Mix zu finden dürfte eine der Hauptaufgaben der nächsten Jahre werden (inklusive auf die neuen Entwicklungen insbesondere in der mobilen Kommunikation zu achten).

Online-Videos scheinen sich als "must haves" durchzusetzen, was sicherlich auch der besseren technischen Ausstattung der Nutzer und der Gewohnheit geschuldet ist - Videos sind Videos und man kann sie konsumieren. Blogging kommt ebenfalls in die Gänge - wenn ich auch hier unter den Inc500 eine höhere Verbreitung erwartet habe. Noch stärker gilt dies für Wikis: Sie sind ein nahezu universelles Tool für internes Wissenmanagement wie für die Außenkommunikation. Für beide Features gilt allerdings: Sie sind recht neu, der Nutzer ist zur Mitarbeit gehalten und ihre Nutzung ist "unspezifisch". Kurz: Man muss erst eine Aufgabe für diese beiden Web 2.0 Anwendungen finden: Erweiterung von FAQ, als Plattform für Pressemitteilungen, als wechselseitiges Kommunikationmittel mit Kunden oder als Werkzeug, nicht nur mit Medien, sondern direkt mit Endkonsumenten zu kommunizieren, oder ... Dabei gilt natürlich: Wo ist der Nutzen für das Unternehmen wie vor allem auch für die Personen, die partizipieren sollen - letzter Punkt ist entscheidend für den Erfolg der Web 2.0 Anwendungen!

Links

Mittwoch, 6. August 2008

Long Tail - alles nur Hype?

In der Juli-August Nummer der Harvard Business Review hat Anita Elberse den Nutzen der These des Long Tails von Anderson in Frage gestellt. Die Antwort auf die Frage "Should you invest in the long tail?" lautet bei ihr klar und eindeutig: nein. Ihre Kernaussage basierend auf Auswertungen von Musikverkäufen und Videoverkäufen im Internet lautet: Es findet nicht eine Diversion der Konsumption im Online-Bereich statt sondern im Gegenteil eher eine Konzentration, d.h. populäre Produkte ("Bestseller") werden eher noch wichtiger für den Gewinn und den Erfolg eines Shops bzw. einer Firma.

Nach ihrer Interpretation bestätigen ihre Auswertungen von Online-Videoverleih und Musik-Downloads die "alten" Ergebnisse von McPhee (und anderen) einer doppelten Benachteiligung: Nischenprodukte werden selten gekauft und sie werden zudem schlechter bewertet von den Konsumenten. Zwar werden populäre Produkte, also die Bestseller, überwiegend von "leichten" Konsumenten (= Konsumenten mit wenig Käufen dieser Ware) gekauft und die Nischenprodukte von "starken", allerdings konsumieren letztere auch populären Produkten.


Jeweils 4 Empfehlungen für Produzenten und Verkäufer

Auf Basis ihrer Ergebnisse stellt Anita Elberse jeweils 4 Empfehlungen für Produzenten wie Verkäufer auf.

Für Produzenten empfiehlt sie folgende Regeln:

  1. Keine radikale Änderung der Blockbuster-Strategie.
  2. Wenn Nischenprodukte angeboten werden, dann möglichst mit geringen Kosten, da die Gewinnwahrscheinlichkeit ebenfalls niedrig ist.
  3. Wenn man versucht, seine Präsenz in den digitalen Kanälen zu stärken, sollte man sich auf die populärsten Produkte konzentrieren.
  4. Bündelung von Hits mit (ehemaligen) Hits stärkt die Sichtbarkeit und Zufriedenheit.


Für Verkäufer gelten nach ihrer Meinung folgende vier Regeln:

  1. Versorge die treuen und umsatzstarken Kunden zu versorgen mit einem breiten Nischenangebot.
  2. Minimiere und kontrolliere die Kosten für Nischenprodukte konsequent.
  3. Akquiriere und betreue Kunden durch die populärsten Produkte, den es sind auch die Produkte, die die höchste Zufriedenheit erzeugen.
  4. Auch wenn die Nischenprodukte eine höhere Gewinnmarge haben, verzichte auf die zu häufige Präsentation von ihnen, da sonst die Unzufriedenheit der Kunden steigt.


Anmerkungen

Die Bedeutung von Nischenprodukten

Anderson zielte noch auf einen anderen Aspekt ab: Da das Internet als Verkaufskanal geringe Vertriebskosten impliziert und ein weites Publikum hat, kann es durchaus sinnvoll sein, sich auf den "Tail" zu konzentrieren - "Selling less of more", so die These von Anderson. Wenn, wie gesagt, die Bereitstellungkosten niedrig sind, könnte dies auf den ersten Blick eine sinnvolle Strategie sein, den harten Wettbewerb um Bestseller zu vermeiden. Allerdings zeigen die Ergebnisse von Anita Elberse, dass die Entwicklung zumindest bei dem Download von digitalen Tracks daraus hinausläuft, dass der Schwanz flacher wird. Mit dem Ergebnis: verkaufe weniger von noch viel mehr.

Die auch in der Diskussion (siehe Links) aufgetauchte Interpretation, dass ja auch Bestseller irgendwann einmal unbekannt waren, verändert an dieser Feststellung erst nichts: Natürlich gibt es Phänomene wie den Aufstieg von Arctic Monkey - aber Madonna oder Rolling Stone sind relativ sichere Investitionen im Vergleich zu den relativ unbekannten Bands, die danach streben, bekannt zu werden.


Das Web - Einfalt statt Vielfalt?

Die Ergebnisse sprechen für zwei Dinge: Erstens wirken auch im Web die gleichen Phänomene wie in der Offlline-Welt, ob man es mag oder nicht. Zweitens dürfte daraus auch folgen, dass es zu einer "unsichtbaren" Standardisierung kommt, da das, was "funktioniert", nachgeahmt wird. Eine Tendenz, die mit der Kommerzialisierung von Medien immer wieder zu beobachten ist. Das heißt pointiert formuliert: die Trampelpfade werden weniger und schmäler, die Highways immer größer, je alltäglicher das Web wird und je breiter die Nutzerschichten des Webs werden. Das gilt für Produkte, aber auch Dienstleistungen und auch das Design. Durch die relativ einfache Vergleichbarkeit und Erreichbarkeit vieler Güter, können selbst marginale günstigere Bewertungen zu deutlichen Differenzen beim Absatz führen.


Die Rolle von Nischenprodukten

Ist die These vom "Long Tail" und dessen neuer Nutzen in der Online-Ökonomie nur ein Hype? So eindeutig fällt meines Erachtens die Antwort nicht aus. Anita Elberse weist selbst auf den Zusammenhang von Kosten und möglichen Gewinnen hin: Sind die Kosten der Bereitstellung von Nischenprodukten gering oder tendieren sogar gegen Null, so geht man kaum ein Risiko ein, sie bereitzustellen. Vielmehr sind sie eine sinnvolle Ergänzung zu gängigen und üblichen Produkten und führen dazu, dass "heavy consumers" gehalten werden. Mit kreativer Kombination von "populären" und "obskuren" Produkten, Diensten oder auch - bezogen auf den Webauftritt - Design. Der kritische Punkt hier sind wie immer die Kosten und die Zielgruppen.

Das weist auf einen weiteren Punkt hin, der bei Anderson eine wichtige Rolle spielt: Das Web bzw. das Internet ist ein günstiger Vertriebskanal für Waren, Dienste, Ideen, etc. Damit auch eine "Spielwiese" für "verrückte", "verwegene" oder einfach "spinnerte" Projekte, ein Kanal, der günstig Versuche nach dem Trial and Error Verfahren erlaubt. Damit können und werden immer wieder neue Ideen realisiert - sie müssen "nur" noch wahrgenommen werden, also den Kampf um Aufmerksamkeit gewinnen. Der Tendenz nach Einfalt und Homogenität steht der Wunsch nach Vielfalt gegenüber, der immer wieder zu Neu- und Weiterentwicklungen führt - sowohl von Diensten, Waren wie Märkten.


Links

Hier die zentralen Beiträge zu der Diskussion:
Anita Elberse: Should you invest in the Long Tail? HBR 07-08/2008
Antwort von Anderson in seinem Blog
Die Antwort von Anita Elberse